Lesekreis Türkische Literatur: Orhan Pamuk: Cevdet und seine Söhne

Haus der Patriotischen Gesellschaft

Trostbrücke 4, 2. Stock
Gesellschaftsraum
20457 Hamburg
Deutschland

Einführung und Moderation: Detlef Rönfeldt (Sprecher des Lesekreises)

Bei diesem Treffen des Lesekreises "Türkische Literatur", mit dem wir nach der Sommerpause die Beschäftigung mit Romanen der türkischen Moderne wieder aufnehmen wollen, wird noch einmal Orhan Pamuk unser Thema sein.

Diesmal wollen wir uns mit "Cevdet und seine Söhne" (Originatitel "Cevdet Bey ve Oğullan") beschäftigen, seinem 1982 erschienenen Erstlingswerk, in dem er den Weg einer Kaufmannsfamilie aus Istanbul über drei Generationen verfolgt. Dieser Roman, für den sich Orhan Pamuk, wie er später äußerte, jahrelang ein wenig "geschämt" hat, weil er zu sehr von westlichen literarischen Vorbildern geprägt sei und nicht genug von der einzigartigen türkischen Kultur wiederspiegele, erinnert tatsächlich über weite Strecken an Romane wie Tolstois "Anna Karenina" oder Thomas Manns "Buddenbrooks". Aber vielleicht ist gerade das, was Pamuk selbstkritisch moniert, auch eine besondere Qualität. Der Roman gilt heute nicht nur als gelungener Einstieg in die Romanwelt Orhan Pamuks, sondern auch als wichtiger Beitrag zur türkischen Gegenwartsliteratur. Necla Kelek hat in einer Rezension nach Erscheinen der deutschen Übersetzung sogar geschrieben, dass "Cevdet und seine Söhne" ihr von allen Romanen Orhan Pamuks der liebste sei.

Wie auch immer: Pamuk entwirft in seinem Debütroman, der zwischen 1974 und 1978 entstand, ein beeindruckendes Familienepos, und bietet zugleich ein höchst anschauliches und lehrreiches Bild der Türkei im 20. Jahrhundert - mit all den politischen und weltanschaulichen Konflikten, die mit dem Übergang vom Osmanischen Reich zu einer modernen, westlich orientierten und säkularen Republik verbunden waren.

Diese Konflikte prägen auch das Leben der Familie Işıkçı, die im Zentrum des Romans steht. Er beginnt im Jahr 1905, als sein Protagonist, der erfolgreiche Geschäftsmann Cevdet, beschließt, sich in Istanbul niederzulassen und eine Familie zu gründen. Das ist Inhalt des ersten Teils. Im zweiten Teil konzentriert sich Orhan Pamuk auf die Generation der Söhne, im dritten auf Cevdets Enkel, die im Vorfeld des Militärputsches von 1970 ihre eigenen Kämpfe auszufechten haben. Der Roman ist vielschichtig und fast übervoll an Themen und Figuren, aber wie virtuos es Pamuk gelingt, die Familiengeschichte mit historischen und sozialen Entwicklungen zu verknüpfen und damit ein Spiegelbild der modernen Türkei zu schaffen, ist beeindruckend und wurde von der Kritik allenthalben sehr gelobt.

Orhan Pamuk, geboren 1952 in Istanbul, wird heute weltweit gelesen und gilt als einer der bedeutendsten türkischen Autoren der Gegenwart. Bekannt wurde er mit Romanen, in denen er die "Geschichten des Westens und die Märchen des Ostens" (Petr Kucera) spannungsvoll in Beziehung setzt. Zu den vielen Preisen, mit denen er ausgezeichnet wurde, gehört beispielsweise der Friedenspreis des deutschen Buchhandels (2005). 2006 erhielt Orhan Pamuk als erster türkischer Autor den Nobelpreis für Literatur.

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Die weiteren Romane auf unserer Leseliste:

Ahmet Ümit: Patasana (15. Oktober)
Nedim Gürsel: Der Sohn des Hauptmanns (19. November)
Mario Levi: Istanbul war ein Märchen (17. Dezember)