Trostbrücke 4, 2. Stock
Gesellschaftsraum
20457 Hamburg
Deutschland
Wir möchten Sie herzlich einladen zum
Lesekreis "Türkische Literatur"
Yavuz Ekinci: Das ferne Dorf meiner Kindheit
(in Anwesenheit des Autors)
am 20. Februar, 19 Uhr
im Gesellschaftsraum, Haus der Patriotischen Gesellschaft, 2. OG, Gesellschaftsraum
Trostbrücke 4, 20457 Hamburg
Einführung und Moderation: Detlef Rönfeldt (Sprecher des Lesekreises)
"Yavuz Ekinci gehört mit diesem und auch seinen weiteren Romanen zu den wichtigsten Stimmen der türkischen Gegenwartsliteratur. Er ist ein großer Erzähler und ein eleganter Stilist, der moderne Prosa mit türkischen und kurdischen Erzähltraditionen verbindet“, schrieb Gerrit Wustmann nach Erscheinen der Übersetzung in einer Rezension. Und weiter: „Er lässt beide Erzähltraditionen eine literarische Symbiose eingehen und ist zugleich ein Autor, der sich nicht scheut, jene Themen anzupacken, um die andere in der Türkei einen großen Bogen machen. Das Ergebnis ist Weltliteratur von höchstem Rang.“
In „Das Ferne Dorf meiner Kindheit“ geht es um die Dinge, über die man in der Türkei bis heute nicht gern offen spricht - sofern man sie nicht schlicht verleugnet: Das Schicksal der Armenier, die in der Frühzeit der Türkischen Republik in großer Zahl ermordet und vertrieben wurden, oder den brutalen Krieg, der im Südosten der Türkei gegen kurdische Dörfer und die PKK geführt wird. Als der Roman 2012 im türkischen Original erschien, gab es kurzzeitig die Hoffnung, dass es – bedingt durch die Beitrittsperspektive zur Europäischen Union – in der Türkei eine gewisse Liberalisierung geben könnte - auch bei Themen, die bis dahin weitgehend tabuisiert waren. Der Roman war in der Türkei ein großer Erfolg, weil er offenbar einen erinnerungspolitischen Nerv getroffen hat, und ist – nach »Der Tag, an dem ein Mann vom Berg Amar kam« (2017) und »Die Tränen des Propheten« (2019) – der dritte Roman, der von Yavuz Ekinci ins Deutsche übersetzt wurde.
Die Hoffnung auf Liberalisierung ist inzwischen weitgehend verflogen. Ekinci, 1979 in der Provinz Batman östlich von Diyarbakır geboren und dort aufgewachsen, lebt trotz der Drohungen und Repressionen, denen sich kritische Autoren und Intellektuelle in den letzten Jahren wieder verstärkt ausgesetzt sehen, als Schriftsteller, Lehrer und Herausgeber einer Schriftenreihe zur kurdischen Exilliteratur in Istanbul. 2022 wurde er wegen „Terrorpropaganda“ angeklagt und auf der Basis zehn Jahre alter Tweets zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Auch sein noch nicht ins Deutsche übersetzter Roman „Traumsplitter“ („Rüyası Bölünenler“) wurde verboten – auf der Basis ähnlicher Vorwürfe. „Ekinci erspart seinem Publikum nichts“, schrieb Gerrit Wustmann auf qantara.de. „Er erzählt von einer Welt, in der man entweder Täter ist oder schweigen und sich selbst verleugnen muss, um zu leben.“ Nationalismus und Gewalt, das war auch in der Frühzeit der kemalistischen Türkei eine unheilvolle, blutige und oft tödliche Mischung. Das ist noch lange nicht aufgearbeitet und wirkt immer noch nach.
Im Juni 2022 kam Yavuz Ekinci auf Einladung des PEN Berlin nach Deutschland. „Ich lebe nicht im Exil“, betont er, denn er will in die Türkei zurückkehren, trotz der Prozesse, die ihm drohen. Derzeit ist er Stipendiat der „Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte“ und arbeitet an einem neuen Roman. Am 20. Februar, wenn wir uns mit „Das ferne Dorf meiner Kindheit“ beschäftigen, wird er unser Gast sein, Fragen beantworten und mit uns über sein Buch und seine Arbeit diskutieren.
Wir verweisen auch auf die Rezension, die am 1. Februar 2024 in der FAZ erschienen ist.
Yavuz Ekinci, "Das ferne Dorf meiner Kindheit“, aus dem Türkischen übersetzt von Gerhard Meier, Verlag Antje Kunstmann 2023, 325 S.
Bitte melden Sie sich an, wenn Sie dabei sein möchten.
Die nächsten Bücher auf unserer Leseliste:
Selahattin Demirtaş: Kaltfront (19.März)
Murat Uyurkulak: Zorn (16. April)
Zülfü Livaneli: Unruhe (21. Mai)
Elif Shafak: Unerhörte Stimmen (18. Juni)
Orhan Pamuk: Cevdet und seine Söhne (17. September)
Ahmet Ümit: Patasana (15. Oktober)
Nedim Gürsel: Der Sohn des Hauptmanns (19. November)
Mario Levi: Istanbul war ein Märchen (17. Dezember)