Lesekreis „Türkische Literatur" Zülfü Livaneli: Der Fischer und der Sohn

Haus der Patriotischen Gesellschaft

Trostbrücke 4, 2. Stock
Gesellschaftsraum
20457 Hamburg
Deutschland

Einführung und Moderation: Detlef Rönfeldt (Sprecher des Lesekreises)

Wenn sich der Lesekreis "Türkische Literatur" am 15. April zum vorerst letzten Mal trifft, wird noch einmal Zülfü Livaneli unser Thema sein. Diesmal wird sein Roman "Der Fischer und der Sohn" im Mittelpunkt stehen, der 2021 unter dem Titel "Balıkçı ve Oğlu" in der Türkei und 2023 in der deutschen Übersetzung von Johannes Neuner im Verlag Klett-Cotta erschienen ist.

Livaneli, 1946 in Konya im Süden der Türkei geboren, ist als Musiker, Filmregisseur und Schriftsteller international bekannt geworden und gilt als eine der wichtigsten Stimmen der kulturellen und politischen Szene der Türkei. Die Kinofilme, bei denen er Regie geführt hat, haben große Beachtung gefunden und sind vielfach ausgezeichnet worden. Seine Romane, in denen er immer wieder brisante aktuelle Themen aufgreift und spannend aufbereitet, werden in der Türkei viel gelesen und sind von großer emotionaler Kraft. Viele seiner Romane sind auch ins Deutsche übersetzt worden, darunter "Glückseligkeit" (2008), die Emanzipationsgeschichte einer jungen anatolischen Frau, "Serenade für Nadja" (2013), in dem er den Untergang der "Struma" thematisierte, die 1942 im Schwarzen Meer versenkt wurde und Hunderte jüdischer Flüchtlinge in den Tod riss, und "Unruhe" (2018), der sich mit dem Schicksal von Jesidinnen befasst, die vor dem IS in die Türkei geflüchtet sind. Der Roman stand mehr als ein Jahr lang auf Platz 1 der türkischen Bestsellerliste und war im Mai 2024 unser Thema. "Der Fischer und der Sohn", mit dem wir uns diesmal beschäftigen wollen, erzählt die Geschichte eines kinderlosen Paars, das ein Baby von einem der vielen Flüchtlingsboote in der Ägäis rettet und versteckt, statt es den Behörden zu übergeben. Für sein umfangreiches literarisches Werk wurde Livaneli 2009 mit den Orhan-Kemal-Literaturpreis ausgezeichnet.

Weltweit berühmt geworden ist er aber vor allem als Sänger und Komponist. Er ist eine Legende der türkischen Musik, wird oft mit dem 2021 verstorbenen griechischen Komponisten Mikis Theodorakis verglichen und gilt vielen als "türkischer Theodorakis". In den 1979er Jahren musste er seine Heimat verlassen, weil er wegen seiner politischen Haltung Repressionen ausgesetzt war und inhaftiert wurde. Erst 1984 kehrte er zurück und gab eine Reihe von umjubelten Konzerten, darunter 1997 das legendäre Konzert im Hippodrom von Ankara vor 500.000 Zuschauern.

Mit Mikis Theodorakis verband Livaneli eine langjährige Freundschaft. 1986 gründeten sie gemeinsam das Komitee für türkisch-griechische Freundschaft, um die Aussöhnung zwischen Griechen und Türken zu fördern, die beiden ein ganz besonderes Anliegen war. Dafür wurden sie 1997 von der deutschen Bundesregierung mit einem Festakt auf dem Petersberg in Bonn geehrt. 1995 wurde Zülfü Livaneli zum UNESCO-Botschafter ernannt und 2002 für die Republikanische Volkspartei (CHP) ins türkische Parlament gewählt. Seine Tätigkeit als UNESCO-Botschafter beendete er 2016 aus Protest gegen die Offensive des türkischen Militärs gegen die PKK, bei der Teile der von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannten Altstadt von Diyarbarkir zerstört wurden.

Wenn wir uns am 15. April treffen, wird es aber auch darum gehen, ein wenig Rückschau zu halten – Rückschau auf knapp vier Jahre, in denen wir uns in wechselnder Besetzung regelmäßig und insgesamt immerhin 36 Mal zusammengefunden haben, um uns mit türkischer Literatur zu beschäftigen. Was ist gelungen, was ist weniger gelungen? Haben wir Neugier wecken können? Hat sich unser Blick auf den "schwierigen Partner Türkei" (Udo Steinbach) verändert? Oder müssen wir konstatieren, dass das Interesse an Literatur aus der Türkei bei uns weiterhin erstaunlich gering ist – trotz der vielen Menschen mit türkischen Wurzeln in unserer Gesellschaft und trotz der großen Resonanz, die wir mit unserem Lesekreis gefunden haben?

Wenn Sie Lust haben, an diesem letzten Abend des Lesekreises dabei zu sein, melden Sie sich bitte an.