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Deutschland
Bei diesem Treffen unseres Lesekreises "Türkische Literatur" am 21. Mai wollen wir uns mit dem 1946 in Konya geborenen Zülfü Livaneli beschäftigen, einem Künstler, der in ganz besonderer Weise für die türkische Kultur steht und als Komponist, Sänger, Filmregisseur und Schriftsteller weltweit große Anerkennung gefunden hat.
Livaneli, der oft mit Mikis Theodorakis verglichen und als "der türkische Theodorakis" bezeichnet wurde, ist eine Legende der türkischen Musik. Er hat Hunderte von Konzerten gegeben, in der Türkei, in vielen anderen europäischen Ländern und in den USA. Er sang unter anderem im "Theâtre de la Ville de Paris", in der Philharmonie Berlin, im Haus der Kulturen der Welt und in der Alten Oper Frankfurt. 1997 gab er im Hippodrom von Ankara ein Konzert vor 500.000 Zuhörern. Seine Lieder, von denen er knapp 300 komponiert hat, wurden unter anderem von Joan Baez, Maria Farantouri, Udo Lindenberg und Jocelyn B. Smith gecovert und neu interpretiert. Seine neueste Single, vor wenigen Tagen erschienen, ist "Kathe Pou Nychtoni" mit der griechischen Sängerin Valia Tsigioti.
In den 1970er Jahren war Livaneli gezwungen, die Türkei zu verlassen, weil er aufgrund seiner politischen Ansichten Repressionen ausgesetzt war und inhaftiert wurde. 1984 kehrte er in die Türkei zurück, wo er in Istanbul sein legendäres umjubeltes Konzert mit dem Lied "Merhaba" gab.
Mit dem 2021 verstorbenen Mikis Theodorakis verband Livaneli eine langjährige Freundschaft. 1986 gründeten sie das Komitee für türkisch-griechische Freundschaft, um die Aussöhnung zwischen Griechen und Türken zu fördern, die beiden ein ganz besonderes Anliegen war. Gemeinsam mit Theodorakis und Maria Farantouri gab er in vielen Konzerten mit türkischen und griechischen Liedern immer wieder Signale für ein friedliches Zusammenleben. Für ihre Friedensleistung wurden beide 1997 von der deutschen Bundesregierung mit einem Festakt auf dem Petersberg bei Bonn geehrt.
1995 wurde Zülfü Livaneli zum UNESCO-Botschafter ernannt und 2002 für die Republikanische Volkspartei (CHP) in die Nationalversammlung der Türkei gewählt. Seine Tätigkeit als UNESCO-Botschafter beendete er 2016 aus Protest gegen die Offensive des türkischen Militärs gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK, bei der Teile der von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannten Altstadt von Diyarbarkir zerstört wurden.
Neben seinen Liedern hat Livaneli Filmmusiken komponiert, unter anderem für die Filme "Yol" und "Sürü" von Yilmaz Güney. Bei drei Spielfilmen führte er auch selbst Regie. 1989 erhielt er die "Goldene Palme des Valencia Festival of Mediterranean Cinema" und bei den Filmfestspielen von Montpellier die "Goldene Antigone". Sein Film Sis ("Nebel") wurde als "Bester Europäischer Film" nominiert.
Für sein umfangreiches literarisches Werk wurde er 2009 mit dem Orhan-Kemal-Literaturpreis ausgezeichnet. Von seinen in der Türkei viel gelesenen Romanen, in denen er immer wieder Tabuthemen aufgreift und emotional anrührend behandelt, sind einige auch ins Deutsche übersetzt worden, "Serenade für Nadja" (2013) zum Beispiel, "Der Fischer und der Sohn" (2023), "Glückseligkeit" (2008) und "Unruhe" (2018), mit dem wir uns am 21. Mai beschäftigen wollen. Darin geht es um einen Journalisten, der sich im Rahmen einer Recherche mit Kultur und Schicksal der Jesiden auseinandersetzt.
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Die weiteren Romane auf unserer Leseliste:
Elif Shafak: Unerhörte Stimmen (18. Juni)
Orhan Pamuk: Cevdet und seine Söhne (17. September)
Ahmet Ümit: Patasana (15. Oktober)
Nedim Gürsel: Der Sohn des Hauptmanns (19. November)
Mario Levi: Istanbul war ein Märchen (17. Dezember)